Nicht alt. Nicht jung. Aber ein lebensfähiges, sterbensfähiges Alter.

Arundhati Roy – Der Gott der kleinen Dinge.

Ich bin 49 Jahre, aber ich liebe es mit dem Rucksack zu reisen. Der Rucksack ist seit einigen Jahren mein bevorzugtes Reiseutensil. Man kriegt viel rein, er ist leicht zu verstauen (okay meiner nicht, der hat 75 Liter) er stärkt den Rücken des Trägers, manchmal sorgt er auch für Verspannungen – aber, Yoga hilft. Die Yogamatte ist wesentlicher Bestandteil meiner Reiseausrüstung. Bei schlechter Bodenbeschaffenheit und mittelweiten Wegen zu Fuß, ist der Rucksack mein eindeutiger Favorit, da kommen weder Trolli noch eine Reisetasche mit.

Vollbepackter Rucksack

Graue Wölfe auf Tour

Ich treffe auf meinen Reisen viele andere Backpacker, die meisten sind jung, so zwischen 18 – 35 Jahren. Aber es sind vereinzelt, ich nenne sie mal graue Wölfe, wie mich zu sehen.

Das macht mir Mut und ich möchte mit meinem Blog auch meinen Alterskollegen Mut machen. Ich dachte schon, ab einem bestimmten Alter bleiben mir nur mehr Pauschalreisen oder Kreuzfahrtschiffe. Nicht die Art wie ich gerne Reisen möchte.

Klar, ich bin den Annehmlichkeiten eines 4 Sterne Hotels nicht abgeneigt, und gönne mir auch gerne einmal etwas. Meine Erfahrung zeigte mir aber, so angenehm Hotelluxus auch ist, das Land und die Leute rundherum lernst du dabei nicht kennen. Im Gegenteil, du bist so richtig in einer Touriblase gefangen und die Einheimischen sind nur dazu dar dir den Cocktail zu servieren oder das Zimmer zu reinigen. Sonst bleibt man eher unter sich.

Wenn du mit dem Rucksack unterwegs bist, gelten andere Regeln. Niemand bringt dir das Gepäck aufs Zimmer, wenn du Glück hast funktioniert die Klimaanlage. Das Hotel- oder Hostelpersonal kann kein perfektes Englisch, Hand und Fuß sowie Kreativität sind bei der Kommunikation gefragt.

Und du beschäftigst dich wieder mit alltäglichen Dingen, gehst Frühstück einkaufen, suchst dir eine Wäscherei und versuchst die Speisen an den Straßenständen zu identifizieren. Du bist gezwungen mit der lokalen Bevölkerung zu kommunizieren. Ist das nicht furchtbar mühsam? Willst du dir das wirklich antun?

Komfortverlust?

Meine Erfahrung zeigte folgendes: Diese Art des Komfortverlustes wird aufgewogen durch interessante Bekanntschaften die du schließt oder durch neue Orte, die du außerhalb der ausgetretenen Pfade entdeckst. Du machst neue kulinarische Entdeckungen in Straßenrestaurants, abseits von Burger, Pizza, Pasta und Wiener Schnitzel. Okay auf manche kannst du gerne verzichten, andere lassen deinen Gaumen frohlocken.

Aber schlussendlich kommst du nach Hause und kannst plötzlich etwas erzählen. Du kannst Bilder herzeigen, abseits von überboardenden Hotelbuffets, luxuriös eingerichteten Zimmern und organisierten Gruppenausflügen in den nahegelegenen Wasserpark, immer dem bunten Regenschirm folgend.

Du entdeckst abgelegene Stadt- und Landesteile, die selten ein europäisches Gesicht gesehen haben. Die Leute dort führen keinen Regentanz für dein Urlaubsalbum auf. Dafür kannst du in authentischen Vierteln am Alltagsleben teilhaben, welches sich manchmal drastisch, oft aber gar nicht so sehr von unserem unterscheidet. Der Komfortverlust bringt einen unschätzbaren Gewinn, du erweiterst dein Weltbild. Und das ist für mich der Sinn des Reisens.

Möchte ich jetzt nur mehr in 1Stern Unterkünften nächtigen und der noblen Systemgastronomie für immer Ade sagen. Mitnichten. Die wohl tarierte Balance macht für mich die Essenz einer Reise aus.

Was gibt es schöneres, als nach einer anstrengenden Tour durch Angkors Tempel, am Abend in einer noblen Bar mit allem Schnick Schnack der Kolonialzeit bei sanfter Klaviermusik seinen Cocktail zu genießen. In den Infinitypool eines Strandresorts einzutauchen und es sich mal richtig gut gehen zu lassen.

Reisen lebt für mich vom Kontrast: arm und reich, unberührte Dschungellandschaften und vermüllte Strände, Streetfood und Haubengastronomie, beschauliche Bergwanderungen und laute Partymeilen. All das gehört zu einem Land und daher auch zur Reiseerfahrung dazu.

Bitte keine Schlafsäle

Mit steigendem Alter stieg bei mir auch das Komfortbedürfnis. Ich möchte nicht mehr in Schlafsälen nächtigen, spartanische Billigunterkünfte ja, jederzeit, aber keine Schlafsäle mehr. Ich hab es versucht, aber es war definitiv nicht meins, ich brauche einfach ein wenig Privatsphäre. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, wenn sonst alle Unterkünfte ausgebucht sind oder ein Zimmer einfach zu teuer ist. Dann heißt es in den sauren Apfel beißen. Ich muss aber zugeben, dass du dort interessante Leute treffen kannst was wiederum mit interessante Erfahrungen verbunden ist. Trotzdem, wenn ich die Wahl habe, kein Schlafsaal.

Reisen kann manchmal unbequem sein

Ich versuche auf meinen Reisen die Balance zu finden. Touristische Sehenswürdigkeiten entdecken, nicht nur, aber vermehrt abseits der ausgetreten Pfade.

Mitreisende kennenlernen

Ein wichtiger Aspekt des Reisens ist Mitreisende kennenzulernen. Es ist erstaunlich welches breite Spektrum an Persönlichkeiten du kennenlernst. Junge Eso-Tanten, Althippies, Alleinreisende und Paare jeden Alters aus allen Nationen der Welt. Ich habe mit einem Metall-Fan das Wahnsinnsfestival Kumbh Mela in Allahabad besucht, mit einem Medizinstudent im Bus nach Koh Tao über Politik philosophiert, ein australisches Lehrerehepaar kennengelernt, das eine Patenschaft für ein kambodschanisches Kind übernommen hat, bin mit einem deutsch-thailändischen Paar durch Laos gefahren … die Liste lässt sich noch lange fortsetzen. Das unterwegs sein und die Neugier auf neue Erfahrungen verbinden, und du hast immer ein Gesprächsthema und bekommst wertvolle Tipps und Anregungen. Tioman oder Sipadan hätte ich ohne solche Begegnungen niemals besucht.

Gedanken übers Reisen mit 40+ oder eher 50-
1000füssler massiert meine Hand

Einheimische kennenlernen

Und die lokale Bevölkerung. Taxifahrer aus aller Welt haben mir ihre Geschichte erzählt, eine Gastfamilie in Indien zeigte mir Einblicke ins Leben der Mittelschicht. Bei einer Thaifamilie konnte ich an einer Begräbniszeremonie teilnehmen. Zu meinem Zimmervermieter im südlichen Kovalam habe ich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt und dabei Dinge kennengelernt, die man nur sieht, wenn man seinen Komfortpanzer aufbricht und sich öffnet.

Martin tauscht Kontaktdaten mit Fotomodell auf der Kumbh Mela in Allahabad

Rein altersspezifischer Blog?

Ursprünglich wollte ich einen rein altersspezifischen Blog aufsetzen und kam zur Erkenntnis, dass sich die Art zu Reisen nicht auf das Alter festlegen lässt. Was ich nicht ablegen kann ist die Perspektive. Ich bin nun mal keine zwanzig mehr. Aber ein positiver Nebeneffekt des Reisens mit Rucksack ist, du kommst zwangsläufig mit jüngeren Reisenden in Kontakt und fühlst dich dadurch selbst vitaler und jünger. Wenn du jünger bist, kannst du viel von meiner Weisheit und Lebenserfahrung lernen. Wobei, wenn ich meine jüngsten Erfahrungen betrachte, vergiss das mit der Weisheit, bleiben wir bei der anderen Perspektive.

Das soll jetzt nicht danach klingen, als ob ich alter Knacker jetzt den Jungbrunnen gefunden hätte. Nein, ist nur so eine angenehme Erfahrung, dass die mentalen Grenzen zwischen den Generationen manchmal sehr fließend sind und manchmal sogar ganz verschwinden.

Blog für alle

Innen- und Aussenansichten und mehr findest du auf meinen Seiten. Ich freue mich über jede/n, der/die mich virtuell auf meinem Blog begleitet. Es soll ein Blog für alle sein soll. Ich möchte aus meiner Perspektive auch einem älteren Publikum Mut machen, sich aufzuraffen. Ich habe es ausprobiert. Es ist noch nicht zu spät, auch wenn du schon weit über 40 oder 50 bist. Pack den Rucksack oder die Reisetasche, und lerne die Welt kennen. Frei nach dem Motto der steirischen Band STS:

Heb dein Oasch sei net faul, hab nur kan Respekt, mit wache Knia hot no kaner die Wöd nei entdeckt.

„Sie wissen alles besser“ von STS

Da meine Leser nicht nur aus Österreich kommen, anbei die Übersetzung aus dem Steirischen ins Hochdeutsche :-):

Heb deinen Arsch, sein nicht faul, habe nur keinen Respekt, mit weichen Knien hat noch niemand die Welt neu entdeckt

Frei übersetzt aus dem Steirischen – STS – „Sie wissen alles besser“
Gedanken übers Reisen mit 40+ oder eher 50-
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Martin Wieser

Ich bin Martin. Im zarten Alter von 49 Jahren habe ich beschlossen eine Auszeit zu nehmen, meinen Job gekündigt um mal ein Jahr die Welt zu erkunden. In meinem Blog beschreibe und bebildere ich meine Erlebnisse. Und ich habe eine Mission: deine Reiselust zu wecken.

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9 thoughts on “Gedanken übers Reisen mit 40+ oder eher 50-

  • 4. August 2019 at 16:17
    Permalink

    Hy Martin, finde ich echt super toll, was du machst. Wünsche Dir eine sichere Weltreise und viele tolle Eindrücke. Hoffe, man sieht sich mal wieder, wenn du im Lande bist.
    LG Rene ?

    Reply
    • 9. August 2019 at 12:03
      Permalink

      Vielen Dank Rene, dir noch viel Spaß auf Bali und vielleicht bis bald mal ?

      Reply
  • 6. September 2019 at 9:44
    Permalink

    Hallo Martin, wir (60+57) reisen ab 23.10.2019 nach Indien. Soviel zum Alter.
    Als Backpackers mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Delhi, Varanasi, Darjeeling, Goa, Kerala ….
    Das Wichtigste für uns ist sich nur nicht festlegen. Alles auf uns zukommen lassen und mit viel Zeit im Gepäck genießen.
    Übrigens wir sind nicht das 1x dort.
    LG ilse

    Reply
    • 7. September 2019 at 0:53
      Permalink

      Hallo Ilse,
      Tipps braucht ihr dann ja nicht mehr ;-). Toll was ihr da vorhabt, werde eure Berichte verfolgen und wünsche ich euch schon einmal einen tollen Trip.

      LG aus Medellin
      Martin

      Reply
  • 7. September 2019 at 8:24
    Permalink

    geilaufreisen.blogspot.com
    In unserem Reiseblog mit Wohnmobil werden wir auch über unsere Indienreise berichten. LG aus Innsbruck Ilse

    Reply
  • 12. Dezember 2019 at 15:52
    Permalink

    Bin zwar mit dem Rollenkoffer (außer auf dem Jakobsweg) unterwegs, aber immer individuell und reise sehr oft alleine. Der Altersgruppe „ Graue Wölfe“ gehöre ich locker an. Deinen Gedanken kann ich nur zustimmen. Auch ist es wohltuend, dass du einräumst, dass bei allem Komfortverzicht ein Schlafsaal für dich nicht in Frage kommt. Das geht mir genauso.
    Gerade habe ich auch einen Spanischkurs auf Lanzarote besucht, von daher war es interessant über deinen Kurs in Kolumbien zu lesen, ein Land mich schon länger interessiert. Über meine Zeit auf Lanzarote blogge ich gerade z.B. https://wanderlustig2019.wordpress.com/2019/12/09/nachmittags-in-lanzarotes-inselhauptstadt-arrecife/
    Habe mich für deinen Newsletter angemeldet und freue mich auf deine nächsten Posts.

    LG
    Inga

    Reply
    • 12. Dezember 2019 at 18:27
      Permalink

      Hallo Inga,

      freut mich sehr, dass dir meine Gedankenspiele zugesagt haben bzw. du sie nachvollziehen kannst. Mann oder Frau wird halt mit dem Alter etwas Komfort bedürftiger :-). Dir noch viel Erfolg beim Spanisch lernen und wenn du noch Tipps brauchst wegen Medellin, kannst dich gerne melden.

      GLG
      Martin (Grauwolf ;-))

      Reply
  • 13. Dezember 2019 at 9:14
    Permalink

    Danke ?. Hoffentlich wird in Kolumbien verständliches Spanisch gesprochen. In Argentinien hatte ich große Probleme. Zunächst steht ohnehin eine Reise nach Costa Rica an.
    Wenn du etwas über die kolumbianische Drogenhistorie erfahren möchtest, empfehle ich den Dokumentarfilm „ Pecados de mi Padre“ ( „Cocaine Bandits 2“), in dem sein Sohn Juan Escobar sehr eindrucksvoll über seine Kindheit berichtet und sich bei den Söhnen von Pablo Escobar ermordeter Politiker entschuldigt. Wegen der historischen Aufnahmen sehr sehenswert, obwohl Juan Escobars Rolle nicht unumstritten ist .

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