Wir bestiegen den Bus nach Pak Chong und ich war froh Wolfgangs Ratschlag beherzigt zu haben. Er meinte ich solle einen Pullover oder eine Jacke in den Bus mitnehmen. Komischer Rat, dachte ich zuerst, angesichts der vorherrschenden 36 Grad Celsius Umgebungstemperatur. Im Bus angekommen war mir aber klar, weshalb das ein wirklich guter Tipp war. Es hatte gefühlte 10 Grad und ich fing sofort zu schlottern an. Tatsächlich kühlten sie den Innenraum des Busses auf 19 Grad ab. Gut, dass ich meine Fleecejacke griffbereit hatte, denn eine Erkältung in den Tropen ist nicht lustig. Zusätzlich wurden von der Busbesatzung auch noch Decken ausgeteilt. Ausgerüstet wie für eine Schitour war ich für die fast 5 Stunden dauernde Fahrt nach Pak Chong gewappnet.

Milchwirtschaft in Thailand
Pak Chong liegt etwa 180 km nordöstlich von Bangkok und gilt als Tor zum Isan, der nordöstlich gelegenen, stark landwirtschaftlich geprägten Region Thailands. Je weiter wir Richtung Norden fuhren, desto mehr veränderte die Landschaft ihren Charakter. Es wurde hügeliger und neben den Reisfeldern waren ab und zu ausgedehnte Rinderfarmen zu sehen.
Thais sind eigentlich keine klassischen Milchtrinker. Der Kalziumbedarf wird traditionell, wie auch in China, hauptsächlich durch Sojaprodukte gedeckt. Mit der vermehrt aufkommenden westlichen Lebensart, stieg aber auch der Bedarf an Milchprodukten. Milchkaffee und Frappés in allen möglichen Geschmacksrichtungen sowie Speiseeis und Käse werden vermehrt nachgefragt. Die Milch dazu kommt großteils aus der Gegend um Pak Chong, wo Großunternehmen auf diesen neuen, gewinnversprechenden Zug aufgesprungen sind. Viele Kleinbauern betreiben heute ebenfalls Viehzucht und profitieren vom steigenden Milchkonsum der Thais. Deshalb sind auf vielen Bauernhöfen der Gegend die für diesen Landstrich typischen schwarzweiß gefleckten Kühe zu sehen.

Western Style
Die amerikanische Lebensweise dürfte einen stark prägenden Einfluss auf viele Bewohner dieser ländlichen Gegend haben. Die Rinderfarmen erinnern an ihre amerikanischen Vorbilder. Angefangen von der für amerikanische Farmen typischen Holzeinzäunung bis hin zu den plakativen Longhornrinderschädeln, die über den ausladenden Eingangstoren angebracht sind. In Pak Chong angekommen, bemerkten wir in der Nähe der Busstation sogar einen Saloon im typischen Westernstyle. Es gab auch Geschäfte, wo es Cowboyhüte und -stiefel zu kaufen gab.
In der Gegend gibt es auch ein paar schöne Golfplätze und gute Hotels, die a hauptsächlich an Wochenenden und den Ferien von wohlhabenden Leuten aus Bangkok besucht werden.
Der Pickup Truck ist hier ebenso beliebt wie in den vereinigten Staaten und wir wurden stilgerecht, von Kanokvans Vater, Prakob, in einem solchen, bei den Thais so beliebten Gefährt, abgeholt.

Ich hatte jetzt also die Möglichkeit zwei Tage bei einer typisch thailändischen Familie zu verbringen, und war schon sehr neugierig, wie sich das Leben am Land so abspielte.

Erst das Familienoberhaupt
Bei unserer Ankunft merkten wir auch gleich den Mentalitätsunterschied. Anders als bei uns, springt nicht jeder gleich auf, wenn ein Gast kommt. Wolfgang selbst begrüßte erstmals das Oberhaupt der Familie, Kanokwans Großmutter Sukkothai. Die Frau war die unangefochtene Autorität auf dem Hof, und natürlich musste man ihr zuerst die Aufwartung machen. Danach stellte mich Wolfgang den restlichen Mitgliedern der Familie und den zu Besuch befindlichen Freunden und Bekannten vor.

Das Leben spielte sich, aufgrund des fast ganzjährig heißen Klimas, hauptsächlich im Freien ab. Die typischen Landhäuser waren auf Stelzen gebaut. Im Schatten darunter befand sich ein Aufenthalts- oder Schlafbereich. Bei Kanokwans Familie waren außerdem noch zwei Plätze vor dem Haus mit Partyzelten überdacht. Darunter befanden sich Tische und Stühle für gemeinsame Mahlzeiten oder zum geselligen Beisammensein.
Essen am Land
Wie auch in der Stadt, drehte sich im Alltag der Landbevölkerung sehr viel ums Thema Essen. Der aus einem alten Ölfass selbst gebastelte Griller war fast rund um die Uhr im Einsatz und versorgte die hungrigen Gäste mit allerlei Leckereien. Laufend wurde Fisch, Schwein, Rind oder Huhn gegrillt und gegessen. Das meiste aus eigener Produktion. Selbst der Fisch, eine lokale Welsart, die sich in der Trockenzeit über Land von einem Schlammloch zum nächsten rettet, wurde in einem großen Plastikfass als lebender Vorrat gehalten. Ein Griff ins Fass reichte, und Minuten später gab es gegrillten frischen Fisch.

Es wurde auch viel getrunken, vor allem am Männertisch stand schon frühmorgens eine Flasche Thaiwhiskey der beliebten Marke Hong Tong, sowie das beliebte Chang oder Leo Bier am Tisch. Ach ja, Frauen und Männer saßen an getrennten Tischen.
Frosch im Badezimmer
In der neu erbauten, geräumigen Holzhütte bekamen wir einen Ehrenplatz. Wolfgang und ich durften uns die Hütte mit dem Familienoberhaupt, Oma Sukkothai, teilen. Das Badezimmer war sehr interessant. Der etwa 2 Quadratmeter große Raum bestand aus einem 1 Meter tiefen Wasserbecken und einer Stehtoilette aus Keramik. Im Becken befand sich neben einem Schöpfeimer auch ein Hausfrosch, der das Wasser von Ungeziefer frei hielt. Wenn man sich duschen wollte schüttete man sich einen Kübel Wasser über den Kopf. Aufgrund der tropischen Temperaturen war das nicht beheizte Wasser eine angenehme Abkühlung. Für die Toilettenspülung benutze man ebenfalls den Eimer. Sehr einfach, aber alles erfüllte seinen Zweck hervorragend.

Frisches Huhn
Am Abend konnte ich live miterleben wie Hühner geschlachtet wurden. Dazu hat man die lautstark protestierenden Tiere aus einem Korbkäfig herausgeholt, ein paar Federn vom Kragen gerupft und dann mit einem scharfen Messer den Hals durchgeschnitten. Die zappelnden Tiere ließ man noch kurz ausbluten, wobei das Blut in einem eigens bereitgestellten Gefäß aufgefangen wurde, um es danach zu Blutwurst zu verarbeiten. Die noch lebenden Tiere wurden dann unter einen anderen Korbkäfig geworfen, wo sie nach kurzer Zeit endgültig starben. Das geschah gleich mit mehreren Tieren hintereinander. Die leblosen Körper wurden in ein Gefäß mit kochendem Wasser getaucht, um sie anschließend leichter rupfen zu können. Dazu wurde ein Stück Wellblech am Boden aufgelegt und mehrere Familienmitglieder befreiten die Tiere in Akkordzeit von ihrem Federkleid.

Anfänglich verstörte mich die brutal anmutenden Szene, kannte ich Geflügel daheim nur appetitlich in Zellophan verpackt aus der Supermarktkühlvitrine. Aber dann dachte ich , warum eigentlich. Die Tiere hatten kein schlechtes Leben. Sie waren nicht wie bei uns die ganze Zeit in engen Käfigen ohne jeglichen Bewegungsspielraum eingesperrt, sondern konnten sich am Hof zu Lebzeiten frei bewegen. Das Ende kam schnell und das Fleisch schmeckte übrigens hervorragend. Ein so frisches, biologisches Grillhuhn habe ich bis dato noch nie gegessen.
Executive Suite
Am Abend haben wir unser Nachtlager vorbereitet. Wir bekamen zwei Matratzen, die auf dem Boden ausgebreitet wurden und spannten ein rosafarbenes Moskitonetz darüber. Das ergab wirklich ein sehr „harmonisches“ Bild. Wolfgang und ich gemeinsam in einer Basic-Version eines rosafarbenen Himmelbetts. Gleich daneben befand sich das Bett des Familienoberhaupts, wir durften also quasi in der Executive Suite schlafen. Es stellte sich leider heraus, dass Oma Sukkothai eine Vorliebe für mitternächtliches Fernsehen hatte. Naja, man gewöhnt sich an Vieles, auch an spätabendliche Thai-Soaps.

Go home now
Bevor es zu Bett ging, genoss ich die heitere Atmosphäre am Männertisch und trank mit einem Freund der Familie ein paar Bierchen. Ein wenig verstört war ich, als dieser auf einmal aufstand, auf mich zukam, mir die Hand auf die Schulter legte, mir tief in die Augen blickte und mit fester Stimme auf Englisch verlautbarte: „Go home now“. Was auf den ersten Blick wie eine etwas rüde Aufforderung schien, umgangssprachlich ausgedrückt, endlich die Mücke zu machen, erwies sich als ein sprachliches Missverständnis. Die Thai Grammatik ist in vielen Punkten anders als unsere, und wenn man das jetzt 1 zu 1 übersetzt, kommt eben so etwas raus. Was er, mit den wenigen Brocken Englisch, die er beherrschte, eigentlich sagen wollte war, dass er beabsichtigte jetzt nach Hause zu gehen. Das dämmerte mir umgehend, denn so ein Affront hätte nicht zum freundlichen Wesen dieser Leute gepasst. Ich durfte also bleiben.

Das Festmahl wird vorbereitet
Frühmorgens trieb mich der Drang zu fotografieren aus dem Bett, und ich konnte beobachten wie das Festmahl für die Begräbniszeremonie vorbereitet wurde. Ein Schwein wurde soeben zerlegt und ich kam gerade rechtzeitig zum um zu sehen wie die restlichen Borsten des Sauschädels und der Schweinefüße mit dem Bunsenbrenner versengt wurden. Die Innereien wurden gereinigt, die Knochen kamen in die Suppe. Es wurde praktisch das ganze Tier verwertet. Schön langsam bekam ich wieder hunger.



Wat Non Kum
Untertags sahen wir uns den Wat Non Kum Tempel an. Dieser wurde erbaut von einem Schauspieler zu Ehren, des 1973 bei seiner Meditationspraxis verstorbenen Mönches namens Luang Pho Daeng. Eine überlebensgroße Statue des Mönches befindet sich im Inneren des Hauptgebäudes. Skurriles Detail: der mumifizierte Leichnam, des als heilig verehrten Mönches, ist in einem Glasschrein im Kloster Wat Khunaram, auf der Insel Koh Samui zu besichtigen. Der immer noch in Meditationspose befindlichen Mumie wurde eine Sonnenbrille aufgesetzt, damit die leeren Augenhöhlen die Besucher nicht verschreckten.


Am Nachmittag besuchten wir den kleinen Bauernhof eines Nachbarn und ich konnte mir eine Milchwirtschaft aus der Nähe ansehen. Wolfgang spricht leidlich gutes Thai, und konnte sogar mit den Leuten in ihrer Landessprache herumscherzen. Quasi der perfekte Dolmetscher. Die Stallungen hatten aufgrund des warmen Klimas keine Wände, ansonsten unterschied sich der Betrieb kaum von einem Hof in Europa. Die Viehhaltung ist durch den steigenden Milchbedarf im Land ein gutes Zubrot für viele Landwirte geworden.

Die Mönche kommen
Bevor es Abend wurde, mussten wir noch unsere Schlafstätte vorübergehend abbauen, denn am Abend fand der erste Teil der Begräbniszeremonie für Kanokwans Tochter in unserer Hütte statt. Mönche aus dem benachbarten Kloster wurden mittels Pickup auf den Hof transportiert. Es war lustig anzusehen, wie die in orange gekleideten Mönche, einer nach dem anderen den Pritschenwagen verließen. Sie reihten sich am Rande der Hütte am Boden sitzend auf und wurden, so ist es Brauch, mit allerlei Gaben, hauptsächlich Lebensmittel beschenkt. Danach begann die ungefähr halbstündige Andacht, wobei Mantras rezitiert wurden.

Bedrückende Grundstimmung
Es war sehr beeindruckend, diese Zeremonie begleiten zu dürfen. Danach fuhren die Mönche zurück in ihr Kloster und am nächsten Morgen wiederholte sich dieses Ritual nochmals, und war damit abgeschlossen. Beeindruckt hat mich, wie die Thais mit ihrer Trauer umgehen. Man zeigt diese nicht offen, anders als bei uns, wo die Trauerfeierlichkeiten eine bedrückende Grundstimmung haben.
Ich nehme an, es hat etwas mit dem im Buddhismus verankerten Glauben an die Wiedergeburt zu tun. Das mag über den momentanen Verlust hinwegtrösten. Außerdem ist das ja schon das zweite Begräbnisritual. Seit dem tragischen Ereignis ist also schon etwas Zeit vergangen. Beim ersten Ritual wurde der Leichnam verbrannt und ein Großteil der Asche nahe Hua Hin ins Meer gestreut. Reste der Asche befanden sich in einer Urne im Hausaltar der Familie. Als einzigem war Wolfgang seine tiefe Trauer anzumerken, auch wenn er dies zu verbergen versuchte. So gut es ging, versuchte ich ihn zu trösten.


Tief beeindruckt von dieser Zeremonie und den Eindrücken, die ich vom Landleben in diesem intimen Rahmen erleben durfte, verabschiedete ich mich am nächsten Tag von der Familie und meinen guten Freund Wolfgang.

Die nächste Station meiner Reise war die Insel Koh Tao, das Taucherparadies im thailändischen Golf.
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